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Schlafende in der Bahn

„Man beobachtet die Menschen eine Weile in ihrem Zusammensein und dann ist wieder alles entschwunden. Mir ist dies immer als Sinnbild des Lebens überhaupt erschienen“, sagte Werner Berg über seine Fahrgastbilder. Menschen in ihrem Unterwegssein waren lebenslang eines der Hauptthemen des Malers vom Rutarhof. Schreitend oder fahrend, ohne festen Ort, wurde deren Darstellung für ihn zum immer wiederkehrenden Gleichnis unserer Reise durch das Leben. Waren es in den späten 1920er Jahre die Wanderer, als die er sich selbst zusammen mit seinen Malerfreunden aus dem Bund Neuland sah, so zeigte uns Werner Berg in den 50 Jahren, die er in Unterkärnten als Landwirt und Maler wirkte, in unzähligen „im unmittelbaren Dabeisein“ entstandenen Skizzen, aus denen er im Atelier seine Bilder und Holzschnitte destillierte, die Menschen zu Fuß oder auf dem Pferdewagen auf ihrem Weg. Als sich im Zuge der zunehmenden Industrialisierung das ländliche Leben in seiner Umgebung änderte, traten vermehrt die Menschen in der Eisenbahn an deren Stelle – meist Pendler, die er auf seiner Fahrt mit der Bahn nach Klagenfurt frühmorgens oder spätabends beobachtete und skizzierte. 

Auch diesem Bild liegt eine solche Alltagssituation zugrunde: eine junge Frau lehnt sich auf ihrem frühen Weg zur Arbeit wieder eingeschlafen gegen ihren Wintermantel an das Zugfenster, in dem sich ein Teil ihres Gesichtes vor dem noch tiefen Dunkel draußen spiegelt. Die Farbigkeit des Bildes verbleibt in den subtil verhaltenen Tönen eines Zwischenreichs. Das kaum sichtbare Spiegelbild der Frau – das Knopfloch des Mantels suggeriert das zweite fehlende Auge – wird zur schemenhaften Spur einer sich im Dunkel verlierenden Wirklichkeit. Ist es Zeichen für eine entschwindende Vergangenheit oder nur andeutungsweise erahnbare Zukunft? Indem die Schilderung der alltäglichen Situation ebenso stark wie unaufdringlich diese Fragen evoziert, wird deren einfache Darstellung zum Gleichnis und erhält mythenhafte Bedeutung, die Bahnfahrt verwandelt sich zum Passieren der Lebensgrenze.     


Entstehungsjahr
1978

Werknummer
1168

Werkgruppe

Thema
Köpfe

Technik
Öl auf Leinwand

Maße
80 x 65 cm