Skip to main navigation Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Morgenritt

Werner Berg hatte sich 1931 mit seiner jungen Familie auf dem entlegenen Rutarhof angesiedelt. Dort hoch über der Drau wollte er als Bauer und Maler ein einfaches und unabhängiges Leben voll unmittelbarer Anschauung führen.  Gefördert durch Emil Nolde suchte er in starkfarbigen, flächig gemalten Bildern Landschaft und Menschen seiner Wahlheimat einzufangen. 

1939, im Jahr der Bildentstehung,  war Werner Berg mit zwei seiner aus deutschen Museen beschlagnahmten Ölbilder auf der Wiener Station der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ diffamierend vertreten. Bereits 1935 war seine Kollektivausstellung im Kölner Kunstverein auf Anordnung der Reichkunstkammer polizeilich gesperrt worden. Die Kette von Anfeindungen und Rückschlägen führte in den späten 1930er Jahren zu einem Rückzug des Künstlers auf Themen aus dem Kreis seiner Familie und der unmittelbaren Umgebung seines Hofes. Er malte zu dieser Zeit meist  unmittelbar vor dem Motiv; die zu dieser Zeit entstehenden Bilder sind dem natürlichen Augenschein näher, sie schildern sachlich-klar die jeweilige Situation.

Für den „Morgenritt“ musste Herr „Pacher“, der Verwalter am Hof, auf dem Pferd reitend „Modell stehen“. Doch Werner Berg suchte hier nicht das konkrete Abbild eines ihm nahen Menschen wiederzugeben, vielmehr ging es ihm, inspiriert von einem Gedicht Conrad Ferdinand Meyers, um das allgemeine Thema des „Winterlichen Reiters“:

Mich führte durch den Tannenwald

Ein stiller Pfad, ein tief verschneiter,

Da, ohne daß ein Huf gehallt,

Erblickt’ ich plötzlich einen Reiter.

Nicht zugewandt, nicht abgewandt,

Kam er, den Mantel umgeschlagen,

Mir däuchte, daß ich ihn gekannt

In alten, längst verschollnen Tagen.


Der jungen Augen wilde Kraft,

Des Mundes Trotz und herbes Schweigen,

Ein Zug von Traum und Leidenschaft

Berührte mich so tief und eigen.


Sein Rösslein zog auf weißer Bahn

Vorbei mit ungehörten Hufen.

Mich faßt’s mit Lust und Grauen an

Ihm Gruß und Namen nachzurufen.


Doch keinen Namen hab’ ich dann

Als meinen eigenen gefunden,

Da Roß und Reiter schon im Tann

Und hinterm Schneegeflock verschwunden.


Im herrlich die sonnendurchflutete Wintermorgenstimmung einfangenden Bild ist, anders als in dem bekannten, zwei Jahre zuvor entstandenen „Winterlichen Reiter“,  nun  nicht der Tannenwald, sondern die Wegkuppe unmittelbar vor dem Rutarhof dargestellt. Die Stelle war für den Künstler außerordentlich bedeutsam, da man über diese Kuppe kommend (wie der Reiter auf dem Bild) plötzlich den Rutarhof unmittelbar vor sich hatte. Neun Jahre zuvor hatte ihn der Künstler voll „Traum und Leidenschaft“ erstmals so erblickt. Hinter dem Reiter geht der Blick nach Südosten hin zu den im morgendlichen Gegenlicht dargestellten Karawanken und Steiner Alpen.

Ich werde das Bild unter der Nummer 227b ins Werkverzeichnis aufnehmen. 

Die im Sommer zuvor bemalte Rückseite des Bildes zeigt „Herrn Pacher“ mit den Mägden beim Aufrichten der „Heuhiefler“. Die nicht weiter ausgeführte Bildanlage zeigt besonders schön, wie rasch zugreifend und im freien Pinselstrich Werner Berg seine Bilder anfangs anlegte, um später die Flächen erst klärend zu definieren. Gerade in dieser Spontanität des Erfassens ist der ungeheure Reiz dieses Motivs begründet. Man erahnt, welche Kraft es dem Maler abverlangte, seine Bilder nicht im bravourös, virtuosen Vortrag zu belassen, sondern konsequent den Weg zum eindeutigen, sinnbildhaften Gleichnis zu suchen.


Entstehungsjahr
1939

Werknummer
0227b

Werkgruppe

Thema
Figuren

Technik
Öl auf Leinwand

Maße
75 x 95 cm